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Kater – Risiken und Nebenwirkungen

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Aller Genuss hat seinen Preis und jener des intensiven Alkoholkonsums wird in physiologischer Währung bezahlt. Wenn wir genussvoll zu tief ins Glas geschaut haben, bleibt uns der Kater nicht erspart und kann höchstens abgemildert werden. Dabei geht das Gerücht um, Naturweine seien weniger dazu in der Lage, Kopfschmerzen zu bereiten. Doch sind Naturweine wirklich “gesünder”?

Alkoholabbau im Körper

Ob Industrie- oder handwerkliche Produktion, Alkohol haben alle Weine. Die Abbauprozesse im Körper sind verhältnismässig gut erforscht. Rund 98,9% des zugeführten Alkohols werden zunächst von Ethanol zu Acetaldehyd verstoffwechselt. Die restlichen 1,1% werden über Nieren, Lungen und Haut ausgeschieden. Für die Verstoffwechselung sind drei Enzyme hauptverantwortlich (Alkoholdehydrogenase [ADH], Cytochrom P450 2E1 [CYP2E1] und Katalase). ADH steht hier für eine ganze Gruppe von fünf verschiedenen Formen und ist das wichtigste Enzym beim Abbau. Es beginnt schon beim ersten Schlückchen aktiv zu werden. Steigt die Alkoholkonzentration im Körper schneller an, wird CYP2E1 aktiv. Die Katalase ist schlussendlich eine leichte Verstärkung der vorgenannten. Ethanol wird dabei zunächst zu Acetaldehyd metabolisiert, welches dann mit einer weiteren Oxidation in ungefährliches Acetat umgewandelt wird. Die Art, wie insbesondere ADH sich bei jedem einzelnen gestaltet, führt zu den individuellen Unterschieden der Alkoholverträglichkeit.

Bei der Verstoffwechselung benötigen die genannten Enzyme das Coenzym NAD+. Durch die begrenzte Verfügbarkeit von NAD+ ist der Alkoholabbau in seiner Geschwindigkeit limitiert, wodurch lediglich eine maximale Menge von 240 Gramm in 24 Stunden abgebaut werden kann. Zusätzlich müssen anschliessend die Abbaunebenprodukte NADH+ und H+ (also Ethanol und NAD+ → Acetaldehyd und NADH + H) ebenfalls wieder metabolisiert werden. Dabei verbraucht der Körper natürlich zusätzliche Ressourcen. Das führt am Ende zu Wasser- und Nährstoffentzug, wie Mineralien und Spurenelemente, die für das Zentralnervensystem wichtig sind.

Kater! Was tun?

Nun, vorbeugend solltest du genügend Wasser schon beim Weingenuss trinken und nicht zu wild durcheinander trinken. Hat dich der Kater dann doch erwischt, hilft ein gutes Frühstück mit vielen Spurenelementen und Mineralstoffen, also bspw. Natrium, Magnesium, Proteine und Fette. Das kann auch in Form einer Gemüsebrühe sein. Verzichten solltest du auf gesüsste Getränke wie Limonaden. Säfte (ausser Orangensaft, wegen der erhöhten Säure) können allenfalls zur Linderung beitragen. Ebenfalls solltest du nicht zu oft grosse Mengen von sehr reifen Weinen trinken. Diese enthalten grössere Mengen von Acetaldehyd, welche den Stoffwechsel zusätzlich belasten (mehr dazu in unserem Beitrag zum Altern der Weine).

(Un-)Verträglichkeiten

Manchmal erwischt man einen ganz besonders lästigen Kater, der in seiner Qualität ungeahnte Dimensionen erreicht. Dabei hast du brav nur Wein getrunken und nicht gemischt. Einige Leute leiden sogar unter weiteren Symptomen, wie leichten Hautrötungen, Hitzeattacken, Gliederschmerzen oder einem besonders flauen Magen. Woran das genau liegen kann, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen – wie gut du einen Wein verträgst, hängt nicht nur vom Wein ab, sondern eben auch von dir. Und Weine können manchmal richtige Blackboxen sein. Welche „technischen Hilfsstoffe“ genau in die Industrie-Weine reingeschüttet wurden und wieviel Sulfit verwendet wurde, lässt sich nicht mit einem Blick auf das Etikett ausmachen. Dahingehend sind vins vivants etwas transparenter und zumindest für Menschen mit starker Sulfitunverträglichkeit versprechen diese Weine einen etwas weniger belastenden Genuss. Allgemein muss kurz festgehalten werden, dass Sulfite allein nicht die Hauptursache für schlimme Kater sind. Sie tragen sicher nicht zu einem milden Verlauf bei, sind aber auch nicht der Hauptauslöser. Ansonsten müsstest du nach jedem Genuss eines Hühnereis schon Kopfschmerzen bekommen – die enthalten keine geringen Mengen an Schwefel.

Amine

Es stehen ebenfalls weitere Stoffe im Verdacht einen Kater zu verschlimmern. Die Rede ist von biogenen Aminen.Wie bei etlichen anderen fermentierten oder gereiften Lebensmitteln, wie Käse, Trockenwürsten, entstehen auch im Wein biogene Amine. Diese Stoffgruppe ist dem Menschen nicht fremd, denn unser Körper produziert einige von ihnen selbst. Sie dienen in einigen Fällen als Neurotransmitter der Regulation der Körperfunktionen. Eines der bekanntesten dieser Amine ist Histamin und kommt im Muskelgewebe, in der Haut, aber auch in Nervenzellen vor. Es reguliert bspw. deinen Blutdruck, indem es die Erweiterung der Blutgefässe auslösen kann. Bei Menschen mit besonderer Sensibilität, kann das u.a. zu Rötungen der Haut bis hin zu Schwellungen führen. Im Zentralnervensystem ist es an der Auslösung des Erbrechens sowie der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt. Andere Amine, die regelmässig in Weinen entstehen, tragen klangvolle Namen wie Cadaverin, Putrescin, Tyramin, etc., verlangt natürlich auch etwas mehr Aufwand.

Naturweine als Amin-Kraftwerke

Biogene Amine können sich bereits in den Trauben befinden und in der alkoholischen Gärung entstehen, egal ob konventionell, bio, natur oder was auch immer. Ihre Konzentration wird während der malolaktischen Gärung signifikant erhöht, daher wird davon ausgegangen, dass vor allem Säure abbauende Bakterien wie Oenococcus Oeni und andere Lactobazillen die Amine produzieren. Zuchtkulturen von Laktobakterien können – zumindest in der konventionellen Vinifikation – dafür sorgen, die Entstehung von biogenen Aminen komplett zu unterlassen. Gezielte Schwefelungen des Mosts oder des Weins vor oder nach den Gärungen können die weitere Bildung der Amine ebenfalls unterbinden. Alles Eingriffe, die beim Naturwein nicht infrage kommen. Damit liegt der Verdacht nahe, dass Naturweine eine höhere Konzentration von biogenen Aminen aufweisen. In unterschiedlichen Studien wurde das bestätigt, in anderen nicht. Als bewiesen gilt zumindest, dass Rotweine die höchste Konzentration aufweisen. Das liegt auch daran, dass einige Weissweine gar keine malolaktische Gärung durchmachen. Die Schädlichkeit der Amine hängt einmal mehr von den jeweiligen Sensibilitäten des Körpers ab und der Menge Alkohol, die konsumiert wird. Vieles deutet darauf hin, dass Alkohol die Wirkung potenziert.

Mythos widerlegt…

Entgegen allen meinen Trinkerfahrungen mit konventionellen Weinen und Naturweinen, legt die aktuelle Forschung eine etwas konträre Grundlage dar. Sie suggeriert, dass Naturweine eigentlich viel schädlicher sein können. Zumindest, was biogene Amine angeht, liegt eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür tatsächlich nahe, aber Weine bestehen eben nicht nur aus Alkohol, Sulfit und biogenen Aminen. Bitte versteh mich nicht falsch: Ich hatte auch schon einen Mordskater nach (sehr/zu) viel Naturwein, allerdings nie so arg wie nach konventionellen Weinen. Wissenschaftlich vertiefte Erklärungsversuche für diese anekdotalen Erfahrungen sind noch eher spärlich. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass die Vergleichbarkeit aufgrund mangelnder Reglementarien, was Naturwein präzise ist, nicht gegeben ist. Gleichzeitig macht Naturwein einen viel zu geringen Anteil der weltweiten Produktion aus. Ebenfalls wurde in einigen Studien festgestellt, dass die gleichen Weine erhebliche Fluktuationen in der Aminbelastung von Jahr zu Jahr aufwiesen. Es ist also so einiges noch nicht sonnenklar.

Eine Hypothese

Mögliche Erklärungen für die mehrheitlich besser empfundene Verträglichkeit können in etliche Richtungen gehen. Meist haben Naturweine einen geringeren Alkoholgehalt und weniger Restzucker als konventionelle Weine. Beides Aspekte, die nicht nur den Alkoholabbau entlasten, sondern auch biogene Amine weniger verstärken. Durch die Vielzahl der Mikroorganismen, welche die Gärungen bestimmen, dürfte der pH-Wert in Naturweinen auf natürliche Weise etwas tiefer sein, was laut Studien eine Produktion von unerwünschten Stoffen verhindert. Insbesondere da nicht nachgesäuert wird, wie das auch mal nach allen Gärungen in einer konventionellen Vinifikation passiert. Zu guter Letzt ist Naturwein ein weitaus weniger industriell produziertes Produkt, das laut weiteren Studien für unser Mikrobiom einfacher zu verarbeiten ist – ein Aspekt, der in den meisten Studien zu biogenen Aminen völlig ausser Acht gelassen wird.

Trink, Brüderlein, trink…

…aber eben nicht zu viel. Das ist und bleibt das beste Mittel gegen Kater. Gelegentlich mal einen über den Durst zu trinken, kann passieren. In der Regel ist das böse Erwachen jedoch etwas linder, wenn du nicht den gröbsten Mist in dich reingeschüttet hast. Na dann, Prost! Dry January ist ja bald vorbei 😉

 

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