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Was kostet eigentlich Wein?

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Weinflaschen am Boden im Trallala Laden

Alles hat seinen Preis. Nur welchen? Eine halbe Million Dollar! Den Preis muss man bereit sein, zu zahlen. Zumindest, wenn man sich die letzten Auktionen mit den absoluten Topnamen und Topjahrgängen der Welt anschaut. Neuere Jahrgänge bekommt man, wenn man sie überhaupt bekäme, ab ca. 30.000 Euro, so z.Bsp. Musigny vom Domaine Leroy oder einen Leroy Domaine d’Auvenay Chevalier-Montrachet Grand Cru – letzterer übrigens ein Weisswein. In die Superluxus- bis Fantasieklasse gehören Weissweine, entgegen dem sich stramm haltenden Klischee, genauso dazu wie Rotweine.


Fern von Fantasie und Schaumschlägerei

Je in den Genuss eines solchen Weins zu kommen oder einen solchen gar zu erwerben, bleibt uns durchschnittlich Sterblichen des Plebs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verwehrt. In den meisten Fällen ringt man bereits ab 50 Franken mit dem inneren, von jedem lukullischen Hedonismus befreiten Buchhalter und bestellt am Schluss höchstens drei Flaschen, weil man für den gleichen Preis ja schon mehr als zwei Kisten – und ich meine 12er Kisten – beim alkoholfreundlichen orangen Riesen bekommt. Als Weinliebhaber, bei dem die Liebhaberei eher gruseligem Stalking nahekommt, ist dieser Gedankengang kognitiv durchaus nachvollziehbar und bleibt dennoch eher unbegreiflich. Aber was zahlt man eigentlich, wenn man eine Flasche Wein kauft?

Erstmal die Hardware…

Schauen wir uns erstmal alles genauer an, ausser den Wein selbst. Zählt man die Kosten für eine Flasche, das Etikett, Korken mit Kapsel und Karton zusammen, alles von guter, aber durchschnittlicher Qualität, summieren sich schnell mal 2 Franken. Darin enthalten sind keine Kosten für Lagerung oder Anlieferung der Einzelmaterialien sowie die Kosten für die Etikettgestaltung (je nach Aufwand ca. 2.000 Franken). Je grösser die Produktion, desto geringer die Materialkosten pro Einheit, wodurch mittlere und vor allem kleine Produzenten im Nachteil sind. Dazu kommen die üblichen Produktions- und Maschinenkosten, die sich an den zu verarbeitenden Volumina und Art des Produktionsaufwands sowie Standortbegebenheiten orientieren.

…dann die Software

Wenn es zum Wein selbst kommt, nun ja, da wird es bedeutend schwieriger den pekuniären Aufwand genau zu beziffern. Aber lass mich versuchen, zumindest einzelne Faktoren zusammenzutragen, an die man nicht immer denkt. Offenkundig sind die Lohnkostenunterschiede je nach Land. Die Arbeitsstunden pro Hektar Rebfläche hingegen beginnen schon bei der Lage selbst. Du wirst bedeutend länger brauchen, die Reben im Winter zu schneiden, wenn du durch 60 Grad Hanglagen wie an der deutschen Mosel kraxeln musst, als wenn du mit Maschinen durch flache Rebflächen fahren kannst. Der Einsatz von Maschinen kann ganz allgemein die Lohnkosten erheblich senken. Wie die Anschaffung von geeigneten Maschinen bezuschusst wird, hängt wiederum vom Anbauland ab. Verzichtet man auf Maschinen oder setzt darüber hinaus auf Bio oder Biodynamik, verlangt es nach noch mehr Arbeitsstunden. In einzelnen Fällen berichten Winzer indes, durch den Verzicht auf teure Synthesemittel, den Mehraufwand an Handarbeit wieder gutzumachen. Das mag allerdings eher in Einzelfällen stimmen.

Und die Weinbüechlirechnung wird noch komplexer

Die EU bezuschusste die Umstellung auf biologischen Weinbau 2017 mit rund 350 Euro pro Hektar. Gehen wir also vom Mindestlohn in Frankreich und der 35-Stunden-Woche aus, reicht das für eine Woche Arbeit. Das dürfte in etwa Laubarbeiten für einen Hektar ausmachen, falls man von rund 5000 Rebstöcken pro Hektar ausgeht, wie etwa im Bergerac oder in einzelnen Regionen der Loire. Für die gleiche Fläche im Bordeaux, die gerne mal die doppelte Menge Stöcke pro Hektar zählt, wird das schon wieder enger.
Anschliessend sind die Erträge meist etwas geringer und selbst bei gleicher Anzahl Trauben sind die Traubenschalen oft dicker. In Summe erhält man dadurch in der Regel aromatisch besseres Lesgut, aber viel weniger Most und damit weniger Flaschen pro Hektar. So kam ein Önologe, der Weingüter bei der Umstellung auf Bio oder Biodynamik berät, auf Kosten von 1.923 Euro pro Barrique für ein Weingut im Bordeaux – das ist rund 200 Euro teurer als bei einem konventionellen Äquivalent. Rechnet man das auf eine Gesamtproduktion hoch, werden schnell signifikante Summen erreicht. Neben den weiteren Kosten für Verwaltung und Kellerbuchführung sind die Anforderungen an einen Bio-Betrieb noch höher und es erwarten ihn weitere Kosten und Büroaufwand für die diversen Zertifikate. Auch Bio-Labels sind Unternehmen, die Geld verdienen wollen.

Alpha oder Omega

Angesichts der Gesamtheit der Faktoren stellt sich also die Frage, was man von einem Fläschlein für 5 Stutz erwarten kann? Was erzählt der Preis über den Wein? Weine in diesem Preissegment entstehen vermutlich als erstes bei der Besprechung der Abnahmeverträge mit den Supermarktketten, denn sie haben mit Abstand die grössten Marktanteile. Um solche Weine zu produzieren, wird insbesondere in den USA eine genaue Käuferschaft definiert. Die Herstellung, das Etikett und Marketing werden dementsprechend angepasst. Industriell hergestellte Weine mit eher kühlen, sehr kontrollierter Fermentation unter Zuhilfenahme von Zuchthefen resultieren in einfachen, aber effizienten Aromaprofilen, die eher an die Fruchtaromen eines banalen Industriejoghurts erinnern.
Kleine und mittlere Betriebe müssen sich entscheiden, wie sie sich am Markt platzieren wollen und ob sie ihr Terroir in die Flasche bringen wollen oder etwas Marktgefälliges. Jene Winzer, die sich für Terroir-Weine entscheiden mit viel Handwerk und Sorgfalt erzählen uns nicht selten, dass sie eigentlich von einem Jahreseinkommen ausgehen, das einem Minimum zum Überleben entspricht, plus ein bisschen Rücklage für Investitionen oder Landzukauf. Eine nicht eben offensive Preisgestaltung.

Alles kostet und billig ist selten wirklich gut

Nein, es muss nicht jede Woche ein 100-Franken-Wein sein, aber es sollte auch nicht so oft ein 5-Franken-Wein sein. Denn von den wichtigsten Kosten haben wir noch nicht gesprochen, nämlich jenen, die künftige Generationen bezahlen werden für intensive landwirtschaftliche Produktion. Diese Kosten sind todsicher, aber die genaue Höhe noch nicht überschaubar. Handwerkliche Sorgfalt und Einsatz für ein authentisches Produkt wird unausweichlich mehr kosten, als ein Convenience-Produkt, das mit klangvollen Namen romantische Weinvorstellung heraufbeschwört, ohne diese je erfüllen zu können. Ironischerweise sind es meist jene Leute, die an der Billigproduktion viel Geld verdienen, die sich die zuoberst genannten Fantasiepreise für Spekulationsobjekte leisten können und wollen.

 

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