Zum Inhalt

Wie Klimaveränderungen unseren Wein verändern

  • Facts

Das Klima verändert sich und damit auch unser Wein. Der Jahrgang eines Weins verrät nicht nur so einiges über die Entscheidungen, die ein Winzer getroffen hat, sondern ebenso über die Wetterverhältnisse eines Jahres. Es sollte also nicht verwunderlich sein, dass auch Klimaveränderungen Wein sehr grundlegend beeinflussen.

Diese Veränderungen sind grundsätzlich nicht neu und der Weinbau musste sich in seiner 8000-jährigen Geschichte schon oft anpassen. Man denke nur schon an das „Optimum der Römerzeit“, eine Warmzeit zwischen 100 v. Chr. und 400 n. Chr. und die „mittelalterliche Warmzeit“ zwischen 950 und 1250.

Doch die Anpassungen im Weinbau vollziehen sich etwas langsamer als bspw. im Ackerbau. Reben werden in mehrdekadigen Monokulturen bewirtschaftet und brauchen nach einer Neubestockung rund vier Jahre bis zum ersten Produktionsjahr. 

Welche Veränderungen kommen also auf uns zu in Anbetracht mehrerer wesensbedingter Einschränkungen und welche Lösungen versucht man zu etablieren?

Rebenranken am Gerüst der Geschichte

Damals wie heute hat sich die Weinwirtschaft mit der Diversifikation der damaligen Rebenvarietäten und unterschiedlichen Anbautechniken an die jeweiligen Orte und klimatischen Begebenheiten angepasst. Klimaveränderungen ziehen gleichzeitig weitere Veränderungen mit sich, bspw. Bevölkerungswachstum und damit neue Absatzmärkte sowie Kundenschichten, technologische Entwicklungen wie Alphabetisierung und das Aufkommen der Flasche ermöglichten weitreichenden Handel. Kurzum, Klimaveränderungen sind in ihren Konsequenzen sehr facettenreich.

Veränderung folgt auf Veränderung

In „Normalzeiten“ gelten die klassischen Weinbaugürtel in Europa zwischen dem 40. und 50. Breitengrad, in Amerika und auf der südlichen Halbkugel zwischen dem 30. und 40. Breitengrad als gesetzt. Doch je nach Warm- oder Kaltzeit verschieben sich diese Gürtelränder mal weiter nach Norden oder Süden. Ein aktuelles Beispiel für nördliche Verschiebungen sind England und Schweden, welche von ein „paar“ Grad Celsius mehr profitieren und ganz ordentliche Schaumweine produzieren. In den angestammten Gebieten des Südens lässt sich eine (teilweise Wieder-)Ausbreitung des Weinbaus in kühlere Höhen beobachten, wie bspw. im Priorat. Lässt sich das Anbaugebiet nicht verlegen, muss – früher wie heute – die Pflanze selbst oder die Anbautechnik angepasst werden.

Klimakonsequenzen

Mikroklimatische Faktoren sind vielfältig und haben schon immer ihre Besonderheiten im Wein und seinen Anbaumethoden widergespiegelt. Wasserversorgung, Hitze-/Kälte-Extrema, Sonnenstunden, Windausrichtung sind nur einige der Faktoren. Ist es bspw. nicht trocken, sondern eher feucht und doch warm, ohne Wind, dann steigt das Risiko für Pilzbefall wie in einem feuchten, schlecht gelüfteten Badezimmer. Damit kann der Einsatz von Synthesemitteln (Pestiziden) oder Kontaktmitteln notwendiger werden. Auch das Laubmanagement (also wie viel Blattoberfläche pro Stock, Stichwort: Blattatmung und Transpiration) muss stets reevaluiert werden, damit die Trauben besser belüftet werden können, aber später im Jahr nicht vom starken Sonnenlicht verbrannt werden.  

Bei langandauernden Dürren wird vermehrt auf regulierten Bewuchs zwischen den Reihen (Reduktion der Bodenaustrocknung und Bodenerosion) gesetzt. Doch immer häufiger müssen Ausnahmegenehmigungen zur Bewässerung erteilt werden, weil sogar für die sehr tief wurzelnden Reben eine gute Wasserversorgung schwieriger wird. In Italien wird gar aufbereitetes Wasser in einem Pilotprojekt verwendet. Bei sehr jungen Rebstöcken ist eine Bewässerung in Härtejahren gar unausweichlich. Die Krux liegt eben im Jonglieren zwischen allen Massnahmen (hier wurde längst nicht alles erwähnt). Kommen dann Kapriolen wie schlimmer Hagel dazu, kann eine Ernte komplett ausfallen oder Jahrzehnte alte Stöcke müssen ganz ersetzt werden. Anbautechiken haben ihre Grenzen.

Alternative Anbaukonzepte…

… sollen weitere Abhilfe schaffen. Dabei geht es nicht primär um Doktrinen wie Bio oder konventionell, sondern mehr oder weniger um die konsequente Weiterführung von ganzheitlichen Konzepten ähnlich der Biodynamie. Die Namensgebung dieser Konzepte ist teilweise noch etwas diffus, es haben sich indes einige etabliert wie bspw. “regenerative Landwirtschaft”, “Permakultur” oder “Agroforstwirtschaft”. Ihnen gemein ist Nachahmung natürlicher Dynamiken und mehr Biodiversität. Das stellt einen erheblichen Bruch mit der modernen Monokultur im sogenannten „traditionellen“ Weinbau dar und trifft nur zaghaft auf Anklang. Grund dafür dürfte vermutlich die geringere Stockzahl pro Fläche sein, die industriellen Produzenten und ihren Aktionären einen Strich durch die Bilanz machen würde. Angesichts immer höherer Überproduktion auch in namhaften Weinbauregionen wie dem Bordeaux (Anm. der frz. Staat subventioniert das Ausreissen und Verkleinern der Rebfläche) sollte man meinen, dass die Hürden geringer sein sollten. Aber Paradigmenwechsel waren noch nie besonders einfach.

Piwi, Fremdling und Krieg der Klone

Neben der Verbesserung der Anbaumethoden versucht man gleichzeitig die Pflanzen selbst zu optimieren. Eine Möglichkeit sind angepasstere Klone der gleichen Rebsorte (zur Erklärung: eine Rebsorte wie Pinot Noir kann sich durch unterschiedliche Klone der gleichen Varietät verändern. So gibt es bspw. Burgunder, Wädenswiler u.a. Klone des Pinot Noir) oder sog. Piwi-Sorten. Die Piwi-Neuzüchtungen sollen pilzwiderstandsfähig sein und damit den Einsatz von Pestiziden und Kontaktmitteln drastisch senken. 

Eine weitere Option ist, den Blick auf Weinbaugebiete zu richten, die viele alte, sehr resiliente Rebsorten zu bieten haben, und diese dann in einem neuen Gebiet heimisch werden zu lassen. Auch dies passierte schon mehrfach in der Geschichte des Weinbaus. Ein aktuelles Beispiel hierfür wäre der neu zugelassene Anbau des Rkatsiteli, also einer georgischen Rebsorte, in der Gascogne.

Von Flaschen und Schläuchen

Zuletzt wird vielerorts in Frage gestellt, worin wir unseren Wein kaufen. Weinflaschen sind nicht die ökologischste Verpackung. Insbesondere klar transparente Flaschen schneiden besonders schlecht ab. Sie enthalten meist 0% Recyclingglas, anders als grüne Flaschen mit bis zu 87%. Ebenfalls unökologisch sind sehr schwere Flaschen. Du kennst sie sicher, die ganz schweren Glasknüppel mit sehr edler Aufmachung, die uns suggerieren soll, dass wir es mit einem ganz besonderen Tropfen zu tun haben. Dabei geht ein grösserer Teil der Produktionskosten auf die Menge Glas. 

Werden die Flaschen immer dünnwandiger, werden zuerst die Schaumweinproduzenten ein grosses Problem bekommen – oder zumindest jene, die mit Flaschengärungen arbeiten, denn diese Flaschen müssen sechs bar Druck aushalten. Man war schon sehr stolz das Flaschengewicht auf 835 Gramm runtergebracht zu haben. Nun testen die ersten Produzenten eine 800 Gramm Flasche. Das klingt nach nicht viel, aber auf den Gesamtkonsum hochgerechnet, ergeben sich signifikante Einsparungen an Material, Transportaufwand (Treibstoff, Reifenabrieb, etc.). Weitere Ideen gehen in Richtung von Flaschen aus Papier oder das Abfüllen in Bierflaschen und Bag in Box mit kleineren Volumina – quasi zurück zu den Weinschläuchen.

Tradition?! Warum nicht. Aber bitte keine Bremse

Jetzt liegt es an den Regierungen und Konsumenten sich nicht zu sehr von der Industrielobby und dem zweifellos erfolgreichen Marketing, das stark auf sogenannte Traditionen setzt, einlullen zu lassen. Auch wenn Wein ein sehr altes Kulturgut ist, so ist der Anbau und die Verarbeitung nicht in der Art „traditionell“ wie man uns das gerne glauben lassen möchte. Riesige, reinsortige Monokulturen und synthetische Pestizide im Weinberg, Umkehrosmose, der Einsatz von Enzymen und Schönungsmitteln in der Vinifikation sind alle nicht sonderlich traditionell und doch sind sie eine Realität eines nicht unwesentlichen Teils der Weinproduktion. Natürlich gibt es auch Hersteller, wie das renommierte Weingut Pontet Canet, die sehr umfassend ihre Produktionsmethoden umstellen: Keine Verbrennungsmotoren und vermehrter Einsatz von Pferden (man nutzt sogar die Abwärme der Pferde in den Stallungen), Regenwassernutzung, usw. 

Unser Konsumverhalten muss sich jedoch mindestens ebenso sehr verändern, wenn wir alle Teil einer lebendigen Tradition sein möchten und nicht konservierende Weintradtionen als Vorwand benutzen, um uns nötigen Veränderungen zu verwehren. Altes nicht vergessen und Neues wagen.

 

Empfehlung